Am 24. Februar 2022 griffen russische Terroreinheiten unter dem Befehl von Diktator Putin das Nachbarland Ukraine an um einen Regierungswechsel in Kiew herbeizuführen. Der demokratisch gewählte Präsident sollte getötet und eine Marionette Putins an seinen Platz gesetzt werden. In den vergangenen beiden Jahren mussten wir immer mehr feststellen: Shalom bleibt Sehnsucht. Selbst wenn es eines Tages gelingen wird, die Waffen in diesem brutalen Angriffskrieg zum Schweigen zu bringen, stellt sich die Frage, wie aus diesem Waffenstillstand tatsächlich Friede im Sinne von Shalom werden wird können.
Shalom und Verklärung
Das Evangelium der Verklärung fasziniert mich in diesem Zusammenhang immer wieder. Die Verklärung muss für Petrus wohl eine Erfahrung gewesen sein, die sein ganzes Leben veränderte, alle Erwartungen übertraf. Mit Mose und Elija trifft er auf zwei Personen, die für seine Religion, seine Interpretation seines eigenen Lebens zentrale Bedeutung haben. In der Begegnung dieser drei Personen scheint sein gesamtes Leben in einem neuen Licht. In diesem Moment empfindet er das pure Glück, empfindet er Shalom. Nun ist es natürlich, dass er versucht diesen Glücksmoment festzuhalten. Er möchte drei Hütte bauen, für Elija, für Mose und für Jesus. Doch beim Versuch diesen Moment festhalten zu wollen, entschwindet er auch schon wieder. Glückseligkeit lässt sich nicht festhalten. Shalom lässt sich nicht festhalten. Bei einem derartigen Versuch werden wir immer scheitern. Glückseligkeit und Shalom werden immer Sehnsucht bleiben. Nichtsdestoweniger ist es wichtig für das Erreichen dieser Sehnsucht auch etwas zu tun. Es wäre gefährlich, sich einfach zurückzulehnen und nichts zu tun. Doch jede Sehnsucht braucht auch dieses Moment des Unvermittelten, des Geschenktseins. Eine Sehnsucht kann nicht quasi gemacht werden. Sonst hört es auf Sehnsucht zu sein und wird uns beliebig verfügbar.
Shalom und Verfügbarkeit
Ich wünsche den Menschen in der Ukraine oder in einem anderen Kriegsgebiet dieser Erde nichts mehr, als dass endlich die Waffen schweigen mögen und es einen gerechten Frieden geben kann. Dazu bräuchte es allerdings im wahrsten Sinne des Wortes ein Wunder. Dieser Shalom ist für die Menschen in der Ukraine sicherlich eine Sehnsucht, der sie seit zwei Jahren nachjagen. Trotzdem lässt sie sich nicht einfach machen, weil Shalom eben nicht verfügbar, sondern immer neben vieler Arbeit auch Geschenk ist.
Johann Wolfgang von Goethe hat in seinem Werk „Faust“ den Protagonisten zu Mephisto sagen lassen: „Wenn ich zum Augenblick sag: „Verweil!“ soll meine Seel‘ für immer dir gehören.“ Das Verlangen unsere Sehnsucht verfügbar und damit reproduzierbar zu machen, ist also so alt wie die Menschheit selbst. Petrus versucht im Evangelium nichts anderes. Diesen Moment, in dem sich seine Sehnsucht erfüllt, festzuhalten, indem er drei Hütten bauen möchte. Wahrscheinlich hätten in der Ukraine viele Menschen schon viel dafür gegeben, wenn sie dafür endlich Frieden, endlich Shalom erleben dürften.
Shalom als Sehnsucht
Shalom als Zustand des Friedens gehört wohl zu den wichtigsten Sehnsüchten von uns Menschen. Nicht erst seit dem brutalen Überfall Putins auf die Ukraine ergeben alle Befragungen, was den Menschen in Europa wichtig ist, den Frieden unter den TOP 5 Antworten. Ob dabei immer alle an den internationalen Frieden denken, oder vielleicht manche auch an den Frieden in den eigenen Familien und Freundeskreisen, in unseren sozialen Zirkeln, in denen wir leben, sei einmal dahingestellt. Doch Menschen sehnen sich nach Frieden, haben diese Sehnsucht nach dem Shalom in sich. Vor allem innerhalb der Familie wird uns oft klar, wie brüchig Shalom sein kann, wie wenig wir ihn tatsächlich machen können und wie sehr wir uns damit beschenken lassen dürfen.
Heute – 2 Jahre nach dem Überfall russischer Terroreinheiten auf die Ukraine – gehen unsere Gedanken bei Shalom natürlich in die Ukraine und zu den Menschen dort. Wir gedenken der vielen Toten, die dieser Krieg in den vergangenen Jahren gebracht hat. Wir sind aber auch dankbar für jede Erfahrung von Shalom, von wirklichem Frieden, die wir machen durften in der wertschätzenden und offenen Begegnung mit Menschen.