Während die ersten beiden Begegnungen zwischen Jesus und seinen Jüngern im Johannesevangelium hinter verschlossenen Türen stattgefunden haben, befinden wir uns nun am See von Tiberias. Nach einer anstrengenden Nacht am See begegnen sie Jesus im Morgengrauen und stellen fest: Liebe geht durch den Magen.
Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch.
Johannesevangelium 21,12-13
Zurück im Alltag
Die Jünger kämpfen sich nach den Ereignissen in Jerusalem wieder zurück in ihren Alltag. Vielleicht träumen sie ja noch manchmal davon, was sich alles verändern hätte können. Aber die Wahrheit ist: Es ist alles vorbei. Die Jünger beginnen schön langsam wieder mit ihrem Alltag, den sie hatten, bevor sie Jesus trafen. Es muss irgendwie weitergehen. Auch wenn sie den Auferstandenen gesehen haben, so verstehen sie immer noch nicht.
Vielleicht kennen das ja manche, wenn man einen Menschen verloren hat, der einem wichtig ist. Auch wenn wir glauben, dass diese Menschen bei Gott leben, fällt es uns gerade am Beginn schwer, mit dem Verlust umzugehen. Wieder ins Tun zu kommen, der Lethargie und Depression zu entkommen, ist in diesen Situationen ganz besonders wichtig. Auch wenn es schwerfallen mag, aber auch die Rückkehr in den Job hilft dabei, weil der Alltag damit wieder eine gewohnte Struktur bekommt.
So gehen auch die Jünger wieder ihrer gewohnten Beschäftigung nach. Sie kehren an den See von Tiberias (See Genesaret) zurück und gehen fischen. Ihre Motivation scheint allerdings am Boden zu sein, ihre Konzentration vermutlich auch, daher fangen sie in dieser Nacht nichts.
Zurück am Anfang
Beim Lesen dieses Textes kommt mir immer die Berufung der ersten Jünger in den Sinn. Jesus holte sie damals direkt aus dem Fischerboot in seine Nachfolge. Nach seiner Auferstehung holt Jesus seine Jünger wieder genau dort ab, wo er sie schon einmal berufen hat. Ihre Reise beginnt von Neuem. Wie damals lassen sie sich auf etwas ein, wovon sie keine Ahnung haben, wohin es sie führen wird. Doch sie vertrauen Jesus. Deshalb werfen sie auch das Netz wieder aus, so wie damals, als sie ihn zum ersten Mal sahen. Das Wunder wiederholt sich: sie fangen eine so große Zahl an Fischen, dass die Netze zu reißen drohten.
Liebe geht durch den Magen
Als sie an Land gehen, sehen sie ein Kohlefeuer mit Brot. Sie bringen den Fisch und beginnen gemeinsam zu essen, Mahl zu halten. Sie setzen sich und essen gemeinsam. Im Mahl erkennen sie Jesus. Im gemeinsamen Essen erleben sie Gemeinschaft mit Jesus und untereinander. Die erlebte Gemeinschaft, die die Jünger:innen in diesem Mahl erfahren, ist so intensiv, dass das Mahl bis heute Zeichen der Gegenwart Jesu unter den Menschen ist. Im Mahl wird deutlich, Liebe geht durch den Magen.
Wir verbringen heute viel Zeit und Energie im Suchen nach neuen Wegen der Glaubensverkündigung, wollen Glaubensinhalte an unsere Zeit anpassen, damit Glaube attraktiver wird. Doch werden zur selben Zeit unsere Kirchen immer leerer. Wir versuchen Menschen von der Wahrheit des Glaubens zu überzeugen und merken dabei nicht, dass diese Wahrheit die Menschen kaum interessiert, weil sie mit ihrem Leben nichts oder nur kaum zu tun hat. Wir schaffen es scheinbar nicht, die Relevanz unserer Glaubensinhalte für das Leben der Menschen verstehbar zu machen, denn Glaube geht eben nicht durch den Kopf.
Vielleicht könnten wir ja wieder neu lernen, was es bedeutet, dass die ersten Jünger gemeinsam mit Jesus gegessen haben. Im gemeinsamen Mahl erlebten sie die Gemeinschaft mit ihrem Meister. Wenn wir uns am Sonntag versammeln, um gemeinsam Mahl zu halten, um gemeinsam zu essen, dann erleben wir hier die Gemeinschaft mit Christus, aber auch untereinander. Der Glaube bleibt tot und im Letzten sinnleer ohne die Gemeinschaft von Gleichgesinnten, ohne die Gemeinschaft mit Gott. Damit diese Gemeinschaft spürbar werden kann, braucht es die Liebe zu uns selbst (Selbstannahme), zu unseren Mitmenschen (Nächstenliebe) und zu Gott (Gottesliebe). Diese Liebe ging damals und geht auch heute durch den Magen.