Nachdem Jesus dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!
Johannesevangelium 11,43-44
Komm heraus! – Dieser Ruf, mit dem Jesus seinen Freund Lazarus aus dem Grab ruft, bedeutet Leben. Doch betrachten wir die Geschichte einmal von Anfang an. Zwei Wochen vor dem Osterfest stellt uns die Kirche mit diesem Evangelium einen Vorgeschmack vor Augen von dem, was wir Ostern feiern.
Jesus bekommt die Nachricht, dass sein Freund Lazarus im Sterben liegt. Doch er denkt noch gar nicht daran, zu ihm aufzubrechen. Erst einige Tage später bricht er schließlich auf, Lazarus ist zu dem Zeitpunkt schon fast tot. Nachdem er in Bethanien ankommt, begegnet Jesus Marta und schließlich Maria. Er platzt mitten in die Trauerzeremonie hinein. Gemeinsam besuchen sie das Grab des Lazarus. Dann geschieht das Unfassbare: Jesus ruft Lazarus aus dem Grab heraus und tatsächlich: der Verstorbene erscheint, der Verstorbene lebt.
Komm heraus!
Zugegeben, eine Totenerweckung passt vielleicht nicht mehr ganz in unsere Zeit. Aber ruft Jesus nicht auch Dich und mich: Komm heraus!
Als Jesus zum Grab kommt, ist es von einem Stein verschlossen. Der tote Lazarus ist darin gefangen. Und auch die Menschen, die um ihn trauern, sind in ihrer Welt gefangen. Jesus fordert sie auf, den Stein wegzuräumen. Wenn wir heute mit Menschen zu tun haben, die trauern, die vielleicht gerade einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften haben, die traumatisiert sind, ist es wichtig, diese Menschen zum Tun zu bringen. „Komm heraus!“ gilt also uns, damit wir der Lähmung der Trauer und des Traumas entkommen, damit wir wieder handeln können und unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können. Erst wenn wir wieder in der Lage sind zu handeln, kann das Leben nach einem schweren Schicksalsschlag weitergehen. Nur so können wir wieder in das Leben zurückfinden.
Die Hände und Füße des Lazarus sind mit Binden umwickelt. Diese Binden halten ihn im Grab, halten ihn im Tod. Zu Ostern werden wir diese Binden beim leeren Grab Jesu zusammengelegt liegen sehen, dort wo der Leichnam Jesu gelegen hat. Was hält eigentlich Dich im Grab? Was sind Deine individuellen Binden, die Dein Leben verhindern? Oft sind wir derart gefangen in unserem Alltag, dass wir gar nicht mehr merken, wie sehr wir uns von ihm bestimmen lassen. Diese Binden können Gewohnheiten sein, denen wir nicht entkommen, gesellschaftliche oder individuelle Zwänge, weil die Gesellschaft etwas von uns erwartet. Diese Binden können aber auch eigene Erwartungen an uns sein, die unrealistisch sind, weil sie uns einfach nicht passen. Kannst Du zumindest einige Deiner Binden entdecken und benennen?
Was braucht es, damit Du aus Deinem Grab herauskommen kannst? Wer kann Dir helfen, deine Binden zu lösen und zu entfernen, damit du frei bist? Wie kannst Du Deinen Gewohnheiten oder Zwängen entkommen? Manchmal braucht es dazu nur ein Wort der Ermutigung, manchmal freilich braucht es eine befreiende Erfahrung, damit wir verstehen, dass wir uns lösen können und dürfen. Jesus sagt zu den Herumstehenden: „Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!“ Wir können uns auch gegenseitig die Binden lösen, uns gegenseitig befreien mit einem guten Wort oder einfach einer Ermutigung oder einem Lächeln, das uns sagt: ES IST GUT!!