Ist Gott gerecht? Das Gleichnis des heutigen Evangeliums von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1-16) lässt uns fast daran zweifeln. Aber können wir Gottes Gerechtigkeit überhaupt verstehen? Gerechtigkeit spielt gerade im Matthäusevangelium eine ganz entscheidende Rolle. Er schreibt sein Evangelium in erster Linie für Judenchrist:innen und setzt das neue Christentum in die Tradition der jüdischen Tora. Auf der anderen Seite braucht natürlich auch er eine entscheidende Abwendung gegenüber dem jüdischen Gerechtigkeitsbild. Denn auch für Matthäus ist Jesus nicht bloß ein jüdischer Wanderprediger sondern der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.
Arbeiter im Weinberg
Das Gleichnis, das uns Jesus im heutigen Evangelium erzählt, beginnt eigentlich mit einer Alltagsszene. Ein Gutsherr geht auf den Marktplatz, wo die Arbeiter warten, um für den Tag angeheuert zu werden. Der damals übliche Lohn für einen ganzen Tag Arbeit war ein Denar. Nachdem er offensichtlich nicht genügend Arbeiter für seinen Weinberg gefunden hat, geht der Gutsherr am Vormittag, zu Mittag und am Nachmittag nochmals auf den Markt und heuert neue Arbeiter für seinen Weinberg an.
Als es Abend wird erhoffen sich nun die Menschen, die den ganzen Tag geschuftet haben, einen höheren Lohn, vor allem als sie bemerken, dass die Letzten, die gerade einmal eine Stunde gearbeitet haben, auch einen Denar erhalten. Als sie dann an der Reihe sind um ihren Lohn zu erhalten, bekommen sie auch den am Morgen vereinbarten Denar.
Ist Gott ungerecht?
Auf den ersten Blick könnte man also meinen Gott sei ungerecht, weil er die Mehrleistung nicht entsprechend würdigt. So ist es auch den Arbeitern gegangen. Sie sind neidisch, weil die anderen auch einen Denar erhalten und damit genug zum Essen für einen Tag kaufen können. Obwohl sie nur wenige Stunden gearbeitet haben, werden sie den anderen gleichgestellt. Unsere Gesellschaft lehrt uns, uns ständig mit anderen zu vergleichen. Wir wollen fleißiger, wohlhabender, angesehener oder auch einfach beim Chef anerkannter sein als die anderen. Diese Mentalität schürt auf der einen Seite ständig unseren Neid auf die anderen. Auf der anderen Seite hält sie uns auch in ständiger Unzufriedenheit, weil wir immer mehr haben wollen. Die Werbung lebt von genau dieser Mentalität. Ist das aber wirklich gerecht?
Gottes Gerechtigkeit
Vielleicht müssen wir ja bei Gottes Gerechtigkeit noch einmal umdenken. Kann es sein, dass er bei dieser Gier nach immer mehr nicht mitspielt? Vielleicht besteht seine Gerechtigkeit ja darin, dass jede:r genug hat. Versuchen wir doch einmal den Blickwinkel zu verändern: anstatt sich immer nur zu vergleichen, sich mit dem anderen zu freuen, dass auch sie/er genug zum Leben hat. Wenn wir heute den Welttag der Flüchtlinge und Migrant:innen begehen, dann würde sich mit dem Blick Gottes vielleicht auch unsere Einstellung diesen Menschen gegenüber verändern.
Solidarität als Gottes Gerechtigkeit
Am Ende möchte ich noch einen anderen Aspekt zumindest erwähnen. In der Neustrukturierung unserer Pfarren und Pfarrgemeinden muss doch auch Gerechtigkeit Gottes gelten. Wir müssen auch hier lernen, den Blick, der nur auf unsere eigene Pfarrgemeinde fokussiert, zu weiten. Ich denke hier an die Verteilung des hauptamtlichen Personals genauso wie an die Expertisen, die in den verschiedenen Pfarrgemeinden bei den Ehrenamtlichen unterschiedlich vorhanden sind. Ich denke dabei aber auch an die Finanzen und Verwaltung, die unsere Solidarität erfordern, wenn wir als Christinnen und Christen glaubwürdig bleiben wollen.
Ich lade uns in der kommenden Woche ein, einmal ganz bewusst mit dem Blick Gottes durch die Welt zu gehen. Versuchen wir doch einfach einmal anstatt „ich zuerst“ solidarisch zu handeln. Wenn wir auf unsere Mitmenschen positiv zugehen, dann verändern wir mit jeder derartigen Begegnung die Welt ein kleines Stück in Reich Gottes. Dann bauen wir Pfarre – egal ob nur hier in Hellmonsödt oder in der neuen Pfarre Mühlviertel-Mitte oder sogar darüber hinaus. So entstehen langsam kleine Zellen einer neuen Gesellschaftsordnung, die sich nicht mehr am Konsum und am Neid orientiert, sondern an der Liebe und an der Gerechtigkeit Gottes.