Am Fest der Erscheinung des Herrn feiern die Ostkirchen (Orthodoxie) das Geburtsfest Jesu. Das Evangelium, das wir heute hören ist das „Weihnachtsevangelium“ nach Matthäus. Matthäus stellt in seinem Evangelium Jesus von Anfang an als Sohn Gottes dar, der zu allen Menschen gekommen ist. Bei ihm sind es deshalb auch drei Weise oder Magier (griech. magioi) aus dem Morgenland, die das neugeborene Kind besuchen und ihm huldigen. In der Tradition sind daraus die hl. drei Könige geworden, die bei uns in den vergangenen Tagen als Sternsinger:innnen unterwegs waren. Sie bringen dem Kind Gold, Weihrauch und Myrrhe als Geschenke mit. Als Erscheinung könnte wohl gemeint sein, dass in diesen Geschenken das Wesen Jesu sichtbar wird. Deshalb möchte ich mir die Geschenke ein wenig genauer ansehen:
Gold für den König
Gold lässt sich wohl am einfachsten deuten. Es ist das Geschenk für weltliche Herrscher und Könige. Gold schenkt man einem König, um seine Macht auszudrücken. Das Gold, das Jesus bekommt, sollte auch Macht ausdrücken. Jesus ist nicht bloß eine geistliche Führungspersönlichkeit, er ist König mit allem, was dazu gehört. Später freilich wird er den Menschen klarmachen, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Als König ist Jesus auch keinem Menschen und keiner religiösen Autorität Rechenschaft schuldig, seine einzige Bezugsperson ist Gott selbst, von dem er sagt, er sei sein und unser aller Vater.
Weihrauch für den Priester
Auch der Weihrauch ist noch bis zu einem gewissen Grad selbsterklärend. „Aufsteige mein Gebet wie Weihrauch vor dein Angesicht, oh Herr!“ Ursprünglich ist es der Rauch der Brandopfer, die im Tempel von Jerusalem dargebracht werden, der zu Gott emporsteigt. Dieses Kind ist eben nicht nur weltlicher Herrscher im Sinne eines Königs, sondern auch geistlicher Leiter im Sinne eines Priesters. In ihm fließen beide Komponenten (König und Priester) zusammen. Mit Weihrauch wollen die Weisen ausdrücken, dass sie nicht bloß einen König besuchen, sondern auch einen religiösen Führer. Als Priester ist Jesus in die Welt gekommen, um den Menschen das Heil zu verkünden, sie den Segen Gottes in ihrem Alltag erleben zu lassen.
Myrrhe
Myrrhe ist uns heute komplett fremd. Kaum jemand verbindet mit diesem Geschenk irgendetwas. Damals war Myrrhe eine Salbe zum Balsamieren von Leichnamen. Es war Teil des jüdischen Begräbnisrituals. Myrrhe erinnerte so an die Sterblichkeit. Mit diesem Geschenk wollten sie dem Kind klarmachen, dass es eines Tages sterben werde. Was wollten die Weisen aus dem Morgenland mit diesem Geschenk ausdrücken? Vielleicht war es gedacht als genau diese Erinnerung: Du bist ein sterblicher Mensch! Bei all deiner Macht als weltlicher und religiöser Führer vergiss nie, dass du im Letzten sterblich bist. Mit dem Blick auf die Geschichte ließe sich wohl fragen: Ist ihnen etwas klar, was passieren muss, was den Eltern Jesu noch verborgen ist? Nämlich die Tatsache, dass jemand mit einer derartigen Machtfülle (weltlich und geistlich) den Führern der damaligen Welt gefährlich werden würde und die alles dafür tun würden, um ihre Macht zu erhalten. Ist nicht in der Sendung Jesu schon sein Sterben am Kreuz notwendigerweise vorweggenommen.
Erscheinung des Herrn
Wir sind also am heutigen Fest mit der Frage konfrontieret, wer denn dieser Jesus in unserem Leben bedeutet. Sind wir bereit, darauf zu antworten. Erscheinung des Herrn heißt dann tatsächlich, dass in diesen Gaben das Wesen des Kindes sichtbar und spürbar wird. Auch als Kind ist Jesus bereits König und Priester. In diesen Funktionen wird er eine Lehre verkünden, eine Botschaft für uns Menschen haben, die auf Widerstand im damaligen wie heutigen Establishment stößt, politisch und religiös.
Das Fest der Erscheinung des Herrn fordert von uns eine Entscheidung: für das Establishment oder für Mitmenschlichkeit, für die Erhaltung des Status quo oder für die Botschaft der Liebe, für eine Kultur des Todes oder für eine Kultur des Lebens und der Liebe. Wofür entscheidest Du Dich?