Vor genau einem Jahr – am 24. Februar 2022 – haben russische Truppen unter Putin die Ukraine überfallen und so einen Krieg zurück nach Europa gebracht: ein Jahr Krieg in Europa. Hunderttausende Menschen haben quasi über Nacht ihre Wohnungen und Häuser verloren – von russischen Raketenangriffen zerstört. Aus Angst vor der Gewalt russischer Verbrecher in Uniform sind viele in den Westen der Ukraine oder nach Europa geflüchtet. Im vergangenen Jahr konnten sich viele Menschen aus der Ukraine in Europa integrieren. So konnten sie hoffentlich beginnen, ihre Erfahrungen aufzuarbeiten.
Wie geht Europa mit dieser geänderten Sicherheitslage um? Können wir ein Jahr nach Beginn des Krieges einfach wieder so zur Tagesordnung übergehen?
Humanitäre Hilfe
Eine erste und wichtige Reaktion auf den Ausbruch des Krieges war mit Sicherheit die humanitäre Hilfe für die Menschen, die durch die Gewalt und den Krieg ihre Heimat verloren hatten. Diese Hilfsbereitschaft hat gerade in den ersten Tagen und Wochen des Krieges sehr gut funktioniert. Viele Sachspenden, aber auch finanzielle Mittel konnten gesammelt werden. So konnte den Menschen, die innerhalb der Ukraine geflohen sind, geholfen werden. Menschen haben oft sogar ihre Häuser geöffnet, um Geflüchteten eine neue Heimat zu geben. Zur Zeit scheint es mir wichtig, dass diese Hilfe nicht nachlässt. Eine Krise wie ein Krieg bringt oft das Schlechteste im Menschen zum Vorschein, aber es zeigt wohl auch das Beste im Menschen. Diese Hilfe ist vor allem auch etwas, das jede:r einzelne leisten kann.
Sanktionen
Von allem Anfang an war in der EU und den USA klar, dass man auf diesen Angriffskrieg Putins mit Sanktionen reagieren wird. In immer neuen Sanktionspaketen versuchte der Westen in diesem Jahr Druck auf Putin aufzubauen, um den Angriff zu stoppen und die Gewalt zu beenden. Doch leider bislang mit wenig Erfolg. Doch Sanktionen wirken langfristig. Außerdem hatte Putin viel Zeit, sich auf diese Sanktionen vorzubereiten und so Umgehungen zu finden. Diese Sanktionen zeigen allerdings die Einigkeit des politischen Europas.
Inflation
Auf der anderen Seite scheinen derzeit vor allem von rechtspopulistischen Parteien diese Sanktionen abgelehnt zu werden. Die Inflation, die derzeit dem Westen zusetzt, schieben viele auf die Sanktionen gegen Russland. Hier wird leider oft vergessen, dass die Pandemie und die dadurch verursachten Verwerfungen in der Weltwirtschaft immer noch ihre Schatten werfen. Dass hier ein Krieg in Europa nicht förderlich ist, diese zu überwinden, ist wohl klar. Die massiven staatlichen Subventionen während der Pandemie haben in dieser ersten Krise die Inflation künstlich niedrig gehalten. Doch die Folgen dieser Politik erleben wir heute.
Waffenlieferungen
Von allem Anfang haben Politiker der USA und der NATO klar gemacht, dass es zu keiner direkten Kriegsteilnahme kommen werde. Man wollte unter allen Umständen verhindern, dass NATO Truppen in Kampfhandlungen mit regulären russischen Truppen oder auch Söldnern (Wagner Truppen) verwickelt werden. So will man einen Dritten Weltkrieg verhindern.
Ebenso von Beginn an klar war, dass man die Solidarität mit der Ukraine von Seiten der NATO auch durch Waffenlieferungen zeigen wollte. Am Beginn wurden also Waffensysteme aus den ehemaligen Warschauer Pakt Staaten geliefert, weil ukrainische Soldaten damit umgehen konnten. Erst nach und nach liefert der Westen auch neuere westliche Waffensysteme. So wartet die Ukraine derzeit auf moderne Kampfpanzer, um die russischen Verbrecher weiter zurückzudrängen. Systeme zur Abwehr russischer Raketen haben bereits viele Menschenleben in der Ukraine retten können.
Mittelfristig frage ich mich, ob die NATO nicht auch darüber nachdenken muss, Kampfjets an die Ukraine zu liefern. Damit die Ukraine als unabhängiger Staat erhalten bleiben kann, braucht es eine vernünftige Luftraumüberwachung. Diese geschieht in erster Linie über Radargeräte, doch muss ein unabhängiges Land auch in der Lage sein, den Luftraum zu verteidigen. Dazu braucht es zwar keine Bomber, aber eben Kampfjets. Wenn die NATO allerdings aus verständlichen Gründen diese Überwachung nicht übernehmen möchte, wird sie früher oder später die Ukraine mit den technischen Voraussetzungen ausstatten müssen, diese Aufgabe selbst zu erledigen. Das bedeutet die Lieferung von Kampfjets.
Ist Friede möglich?
Auch wenn heute kaum darüber geredet wird, möchte ich noch kurz die Frage anreißen, ob Friede zur Zeit überhaupt möglich ist. Friede bedeutet für mich aber mehr als ein bloßer Waffenstillstand. Das Schweigen der Waffen wird man erreichen, wenn sich keine Seite mehr erwartet, auf dem Schlachtfeld einen Vorteil zu erkämpfen. Aber das bedeutet noch keinen Frieden. Friede hat doch immer etwas mit Gerechtigkeit und Recht zu tun, oder? Ich denke für einen Frieden ist die Anwendung des Völkerrechts Voraussetzung. Russische Kriegsverbrechen gehören benannt, verfolgt und die Verantwortlichen inklusive des Führers Putin zur Rechenschaft gezogen. Die territoriale Integrität der Ukraine ist wiederherzustellen, das heißt in den Grenzen von vor 2014 (Annexion der Krim). Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist zu achten und Minderheiten sowohl in Russland als auch der Ukraine zu schützen. Das bezieht sich auch auf die Völker im asiatischen Gebiet des russischen Imperialstaates. Das Völkerrecht ist anzuwenden. Dann, ja dann ist Friede möglich.