Fünfzig Tage nach Ostern vollendet sich zu Pfingsten der Osterzyklus. Das Gebet der ersten Jünger „Komm Heiliger Geist!“ wird erhört und sie empfangen die Kraft von oben. Bei seiner Himmelfahrt hat Jesus seinen Jünger:innen versprochen, den Geist über sie auszugießen. Auf diese Weise würde er alle Tage bei ihnen bleiben (Mt 28,19). Die Apostelgeschichte berichtet, dass sie sich in den Abendmahlsaal zurückziehen und um diese Kraft beten.
Pfingsten als Vollendung von Ostern
Ganze 50 Tage lang feiern wir Ostern. In dieser Zeit haben wir immer wieder erfahren, dass dieser gekreuzigte Jesus lebt. In vielen Begegnungen machte er seinen Jünger:innen klar, dass Auferstehung mehr ist als ein Lehrsatz der Theologie. Auferstehung bedeutet Begegnung. Egal ob bei den Jünger auf dem Weg nach Emmaus, die Begegnung mit Thomas oder am See von Tiberias, wo Jesus mit seinen Jüngern gemeinsam isst, es stehen immer Begegnungen im Zentrum der Auferstehungserfahrung.
Zu Pfingsten werden diese Begegnungen durch den Heiligen Geist auf eine neue Ebene gehoben. In der Predigt des Petrus zu Pfingsten wird klar, dass sich die Botschaft Jesu nicht nur an einen engen elitären Kreis richtet, sondern an alle. Erst im Laufe der nächsten Jahrzehnte werden die Apostel erkennen, dass es tatsächlich um die ganze Menschheit geht. Doch schon in dieser Predigt gelingt es Petrus, die Geschehnisse um das Sterben und Auferstehen Jesu neu einzuordnen. Er erkennt einen Plan Gottes und erfährt so Geborgenheit und die Gewissheit, dass alles gut wird.
Pfingsten als Antwort auf „Komm Heiliger Geist!“
Die Jüngerinnen und Jünger beten im Abendmahlsaal um diese Kraft, die Jesus ihnen versprochen hat. „Komm Heiliger Geist!“ wird zum Hoffnungsruf, dass mit der Himmelfahrt nicht alles zu Ende ist. Am Pfingsttag schließlich erleben die Jünger:innen, was Heiliger Geist bedeutet. Die Verzweiflung scheint wie weggeblasen, sie erfahren neue Energie, von diesem Jesus zu erzählen. Der Mut, den sie plötzlich spüren, scheint überbordend.
Pfingsten ist so auch Geburtsstunde der Kirche als Gemeinschaft der Getauften. War es bis jetzt Jesus, der handelte, so sind es nun die Jüngerinnen und Jünger, die – erfüllt vom Heiligen Geist – hinausgehen, die Geschichte von Jesus weitererzählen und so eine Gemeinschaft bauen. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten sollte sich dieser neue Weg über das ganze römische Reich und sogar darüber hinaus ausbreiten. Menschen dürfen erleben, dass hier etwas ganz Besonderes passiert ist: Aus Tod kommt Leben.
„Komm Heiliger Geist!“ als Ruf der Offenheit
Als sich die Jüngerinnen und Jünger in den Abendmahlssaal zurückzogen, damit sie um den Heiligen Geist beten, war ihnen nicht klar, worauf sie sich dabei einlassen würden. Petrus hat bei der Pfingstpredigt wahrscheinlich nicht verstanden, was da gerade geschieht. Aber sie waren offen für das, was Gott ihnen schicken würde. Diese Offenheit gehört für mich ganz wesentlich zu Pfingsten. Wir haben in unseren Kirchen ein Set an Regeln und Vorschriften, die sicherstellen sollen, dass alles korrekt abläuft. Dabei vergessen wir manchmal auf die Offenheit, um den Geist Gottes in unserer Welt zu hören.
Wir brauchen gerade in der heutigen Zeit die Offenheit, ohne zu wissen, wohin die Reise geht. Wir brauchen das Vertrauen der ersten Christinnen und Christen, dass Jesus mit uns gemeinsam unterwegs ist und uns nicht verlassen wird. Wir brauchen den Glauben, dass sein Heiliger Geist die Welt zum Guten führt.