Zur Zeit Jesu waren im damaligen Israel zwei Wörter für “Friede” gebräuchlich. Das hebräische Wort “Shalom” und das lateinische Wort “Pax”. Am Beginn dieser Predigtreihe, die uns durch die Fastenzeit begleiten wird, möchte ich mich diesen beiden Begriffen widmen.
Pax
Nach den Nachfolgekriegen nach dem Tod Cäsars herrschte zur Zeit der Geburt Jesu in Rom Kaiser Augustus. Er gilt in der römischen Geschichte als Friedenskaiser, der den Völkern des Reiches den sog. “Pax Romana” brachte. Friede in diesem Sinn bedeutet allerdings lediglich das Schweigen der Waffen. Die römische Friedensdefinition war auf der Unterdrückung der unterschiedlichen Völker aufgebaut. Für all jene, die mit der “augustinischen Politik” nicht konnten, bedeutete dieser Friede allerdings Verfolgungen, Verhaftungen und in der letzten Konsequenz den Tod. Die römische Staatsmacht schreckte vor nichts zurück, wenn sie sich bedroht sah. Für Freiheit war in diesem Frieden kein Platz. Wer sich aber dem Diktat der Römer unterwarf, konnte im Wesentlichen in Ruhe seinen Geschäften nachgehen.
Shalom
Mit dem Begriff “Shalom”, den wir normalerweise ebenfalls mit “Friede” wiedergeben, meint das Hebräische allerdings wesentlich mehr. Manchmal sogar Anderes. In den kommenden Wochen wollen wir uns daher mit einzelnen Aspekten dieses Begriffes auseinandersetzen. Heute möchte ich nur so viel verraten, dass Shalom sogar den Griff zu den Waffen fordert, wenn Unrecht und Unterdrückung passieren. Denn Shalom ohne Gerechtigkeit und Versöhnung, ohne wirklichen und ehrlichen Neubeginn ist eigentlich unmöglich. Es wäre dann immer ein fauler Kompromiss, der ausgehandelt würde. Hier sehe ich auch die Versuchung des heutigen Evangeliums.
Es wäre so einfach gewesen die Verhaftung des Johannes zu ignorieren, einfach weiter in der Wüste zu bleiben und sich von den Engeln bedienen zu lassen. Wozu Unruhe ins Volk bringen? Das bringt doch bloß die Römer auf den Plan und sie werden mit brutaler Gewalt dreinschlagen. Warum sollte man den Pax gefährden? Doch Jesus widersteht dieser Versuchung, um des Friedens willen nichts zu sagen. Er steht auf und beginnt das Evangelium zu verkünden: “Die Zeit ist erfüllt. Wendet Euch Gott zu und glaubt an das Evangelium, glaubt an den Shalom. Lasst euch nicht mit billigen Versprechungen abfertigen!”
In der Politik meinen manche, andere Maßstäbe ansetzen zu können. Wer heute also davon spricht, die Ukraine sollte sich doch der russischen Armee ergeben, damit endlich Friede herrscht, weil es doch ohnehin keinen Sinn macht, der muss mit Blick auf das heutige Evangelium also darauf Acht geben, dass er sich nicht zum Werkzeug des Verführers macht, dass er nicht zum Satan wird, um es in der Sprache des Evangeliums zu sagen. Shalom bedeutet hier für die Gerechtigkeit, die Würde und Freiheit aller Menschen einzutreten, auch wenn es eigene Nachteile nach sich zieht.
Shalom ist nicht immer der einfachere Weg, aber es ist immer der richtige und am Ende des Tages zahlt er sich auch immer aus. Am Ende möchte ich noch kurz auf Alexej Navalny zu sprechen kommen, der genau diese Form des Shalom gewählt hat. Am Ende hat er seinen Mut und sein Einstehen mit dem Leben bezahlt. Wir werden am Karfreitag eines Todes gedenken, dem Ähnliches widerfahren ist. Amen.