Dieses „Fiat – Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38b) Marias aus dem heutigen Evangelium ist für mich die zentrale Aussage des heutigen Tages. Viel zu schnell versuchen wir diese Zusage Marias zum Willen Gottes zu banalisieren. Es fallen uns hunderte Ausreden ein, warum das alles doch nichts mit uns zu tun hat. Ich möchte hier ganz bewusst nicht zum heutigen Dogma sprechen, das auch einen durchaus interessanten Artikel ergeben würde. Ich möchte heute ganz bewusst beim Evangelium bleiben und mich der Frage stellen: Was bedeutet diese Stelle, die viele fast auswendig können für unser Leben?
Herausforderungen Marias
Beginnen möchte ich mit der Situation Marias. Sie war eine junge Frau, die – wie damals üblich – mit Josef verlobt war. Vielleicht bereitete sie sich gerade auf die Hochzeit vor, vielleicht war sie mit Alltagssorgen beschäftigt. Sie dürfte auf jeden Fall einen ziemlich genauen Plan für ihr Leben gehabt haben. Dieser Plan beinhaltete mit ziemlicher Sicherheit auch Kinder gemeinsam mit ihrem zukünftigen Ehemann Josef, nachdem sie geheiratet haben.
Plötzlich taucht in ihrem Leben ein Bote Gottes (Engel) auf und erzählt etwas von Kind kriegen, Sohn empfangen – jetzt. Sie reagiert auf die einzig mögliche Art und wehrt ab, das gehe nicht, weil sie keinen Mann erkenne, will heißen, weil sie noch Jungfrau ist. Doch das scheint den Boten nicht weiter zu stören. Er redet unbeirrt weiter, dass das gar nicht nötig sei. Das Kind sei sowieso vom Heiligen Geist. Es dauert, bis Maria bemerkt, dass sie Teil von etwas ganz Besonderem ist, dass sie ganz besonders berufen ist. Aber wie wird Josef reagieren? Wird er sie verstoßen, öffentlich anprangern? Sie ist sich seiner Liebe gewiss, aber wird er mit dieser Botschaft umgehen können? Wird sie selbst mit dieser Botschaft überhaupt umgehen können? Was werden ihre Eltern dazu sagen?
Fiat – mir geschehe
„Hab keine Angst!“ hat er gesagt, der Engel. Der hat leicht reden. Der bringt die Botschaft, ist wieder weg, aber ich muss damit fertig werden, damit leben. „Hab keine Angst!“ hat er gesagt, der Engel. Bei jeder Wiederholung des Satzes wird sie ruhiger, beginnt nachzudenken. Es dauert gewiss, aber am Ende kann Maria dieses „Fiat – Mir geschehe“ aus vollem Herzen sagen.
Krisen heute
Die heutige Zeit wird von Experten oft mit Multikrisen und Hoffnungslosigkeit beschrieben. Die sog. „Letzte Generation“ versucht mit einschneidenden Maßnahmen auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Daneben haben wir derzeit die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und in Israel. Außerdem war da vor gar nicht allzu langer Zeit eine Pandemie, die uns fest im Griff hatte. Denken wir ein paar Jahre weiter zurück fällt mir spontan die Bankenkrise aus 2008 und die Terroranschläge aus 2001 und der darauffolgende Krieg gegen den Terror ein. Gefühlt kommen wir die letzten 20 Jahre nicht mehr aus dem Krisenmodus. Vor allem die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten setzen vielen jungen Menschen zu, weil unzensierte Kriegs- und Gewaltvideos über social medias auf unseren Smartphones landen.
Krisen werden Herausforderungen
Ich frage mich manchmal, wem diese Begrifflichkeiten nutzen, die heute so oft gebraucht werden. Keine Angst, es folgt keine Verschwörungstheorie, aber wir – jede und jeder einzelne von uns – entscheiden, welche Wörter wir wofür verwenden. Eine Krise wirkt gefährlich und übermächtig, eine Herausforderung dagegen anspornend und machbar. Hört sich nach nicht viel an, aber Sprache schafft Wirklichkeit. Die Bilder, die in unserem Kopf entstehen sind andere, wenn wir von Herausforderungen reden, als wenn immer nur Krisenmodus angesagt ist. Dazu kommt ein weiteres Phänomen: Wir können nicht dauerhaft im Krisenmodus funktionieren, sondern ab einer gewissen Zeit beginnen wir abzustumpfen und viele Menschen verfallen dann in Lethargie, in Passivität und schließlich in Depression. Damit ist niemandem geholfen, denn Menschen mit Depressionen können ihre Situation nicht verändern. Krisen lähmen uns dauerhaft.
Im Unterschied dazu schenken uns Herausforderungen neue Energie, sie befeuern unsere Kreativität, damit wir Lösungen finden, individuell, aber auch als Gesellschaft. Mit Herausforderungen können wir Menschen verhältnismäßig gut umgehen. Wenn es uns dann gelingt, über diese Herausforderungen in einen konstruktiven Dialog einzutreten, dann sind wir zumeist in der Lage, Lösungen zumindest anzudenken. Neue Ideen geben uns die Energie, die wir brauchen, damit wir uns aktiv den Herausforderungen stellen und unsere Situation verändern.
Fiat – mir geschehe
Mit dem Blick auf Lösungen, voller Tatendrang, weil wir die Lösung schon vor unserem geistigen Auge sehen, fällt es uns dann auch leichter JA zu dieser Herausforderung zu sagen, gleichsam unser „Fiat – mir geschehe“. Die Herausforderungen unserer Zeit werden sich deswegen nicht gleich auflösen, aber wir haben plötzlich eine Chance, sie zu lösen. Es gibt keinen Grund, in Depressionen zu verfallen, weil wir gemeinsam an der Lösung arbeiten. Unser „Fiat – mir geschehe“ lässt sich dann übersetzen zu: „Wir nehmen die Herausforderungen unserer Zeit an. Wir werden an diesen Herausforderungen wachsen. Wir arbeiten gemeinsam an Lösungen, damit es für uns, unsere Kinder und Enkelkinder gut weitergeht. Wir vertrauen, dass wir nicht alleine unterwegs sind, sondern dass Gott diesen Weg gemeinsam mit uns geht.“